Werklohnanspruch: Entbehrlichkeit der Abnahme
Aufsätze VeröffentlichungenMit seiner Entscheidung vom 07.06.2012 (Az.: 12 U 234/11) stellt das Brandenburgische OLG klar, dass eine Abnahme als Voraussetzung der Fälligkeit des Werklohnanspruchs dann nicht mehr erforderlich ist, wenn der Auftraggeber keine Nacherfüllung mehr verlangt, sondern sich nur noch mit auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsansprüchen verteidigt. Dasselbe gilt, wenn Mängel, die zur Begründung der Abnahmeverweigerung herangezogen worden sind, zwischenzeitlich anderweitig behoben wurden.
Die Parteien schlossen einen Vertrag über die Errichtung eines Wohnhauses. Die Klägerin verlangte von den Beklagten restlichen Werklohn. Die Zahlung verweigerten die Beklagten mit der Begründung, es fehle an einer Abnahme und Abnahmereife liege auf Grund einer Vielzahl von Mängeln nicht vor. Daneben machten die Beklagten Zurückbehaltungsrechte wegen dieser Mängel geltend und verlangten im Wege der Widerklage Zahlung eines Kostenvorschusses wegen der nicht fachgerechten Erstellung des Fußbodenaufbaus, der die Klageforderung überstieg. Das erstinstanzlich mit dieser Sache befasste LG Potsdam hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen und der Widerklage in überwiegendem Umfang stattgegeben. Beide Parteien legten wechselseitig Berufung ein.
Das OLG Brandenburg gab der Klage der Klägerin in der Höhe statt, in der ihre Forderung nicht durch Aufrechnung wegen berechtigter Schadensersatzansprüche erloschen war. Die Widerklage hatte vollumfänglich Erfolg.
Nach Auffassung des OLG Brandenburg steht der Klägerin der geltend gemachte Werklohnanspruch zu, wobei es offen ließ, ob möglicherweise bereits eine stillschweigende Abnahme durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme stattgefunden hat, da die Beklagten das Wohnhaus mittlerweile bezogen hatten. Jedenfalls können sich die Beklagten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf eine fehlende Abnahme berufen. Eine Abnahme ist dann nicht mehr erforderlich, wenn sich der Auftraggeber gegen die Werklohnforderung allein mit auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsansprüchen verteidigt, aber keine Nacherfüllung mehr verlangt, da in diesem Fall ein Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien eingetreten ist (BGH BauR 2003, 88). Gleiches gilt, wenn Mängel, die zur Abnahmeverweigerung berechtigt haben, zwischenzeitlich anderweitig behoben worden sind (OLG Karlsruhe NJW-RR 2010, 1609, 1612 m.w.N.). Dem steht auch nicht entgegen, dass ein reines Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien nicht entstanden ist, da die Beklagten weiterhin teilweise Mängelbeseitigung verlangen, denn diese Mängel betrafen nur einen unwesentlichen Teil der geschuldeten Gesamtleistung.
Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, dass es zahlreiche Fallkonstellationen gibt, in denen es nicht mehr auf die Abnahme bzw. die Abnahmereife ankommt. Nach Auffassung von Wollmann & Partner hat diese Entscheidung hohe Praxisrelevanz für Auftragnehmer. Soweit der Auftraggeber Werklohnzahlung verweigert, obwohl er nur noch Schadensersatzansprüche geltend macht, tritt Fälligkeit auch ohne Abnahme ein. In diesen Fällen kann der Auftragnehmer sofort seinen Werklohn einklagen!
OLG Brandenburg, Urteil vom 07.06.2012, Az.: 12 U 234/11
RAin Jana Henning