Prüf- und Hinweispflichten: Die Unkenntnis besonderen Fachwissens lässt die Hinweispflicht des Auftragnehmers nicht entfallen!

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In seiner Berufungsentscheidung vom 01.08.2013 hatte das OLG Frankfurt darüber zu entscheiden, in welchem Umfang ein spezialisiertes Fachunternehmen gegenüber einem fachkundigen Besteller Prüf- und Hinweispflichten in Bezug auf die Pflege eines Werks treffen, insbesondere wenn der Hinweis besondere Kenntnisse über zu verwendende Pflegemittel voraussetzt.

Im Jahr 2003 beauftragte der Kläger die Beklagte mit der Ausführung von Fliesenarbeiten an Bädern mehrerer Wohnheime. Nach Abnahme der Leistungen zeigten sich erhebliche Mängel an den Fugen der verfliesten Bäder, die teilweise vollständig herausbrachen. Nach Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens blieb im Prozess zwischen den Parteien im Wesentlichen unstreitig, dass ein Werkmangel in den unzureichend festen bzw. undichten Fugen begründet war. Streitig blieb jedoch die hierfür maßgebliche Mangelursache. Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass die Mangelerscheinungen ihren Grund in einer nachträglichen Beschädigung der Fugen durch eine unsachgemäße Reinigung durch den Kläger hätten. Dieser habe einen säurehaltigen Reiniger verwendet, der die Fliesenfugen herausgeätzt habe. Die Ursache des Mangels liege deshalb einzig im Verantwortungsbereich des Klägers. Eine Hinweispflicht der Beklagten in Bezug auf die Wechselwirkungen bei Verwendung säurehaltiger Reinigungsmittel habe nicht bestanden, da im Jahr 2003 die Verwendung säurehaltiger Reinigungsmittel weder verbreitet noch üblich gewesen sei. Nachdem das LG Marburg der Klage auf Vorschuss erstinstanzlich stattgab, hatte auch die Berufung der Beklagten vor dem OLG Frankfurt keinen Erfolg.

Nach Auffassung des OLG Frankfurt könne im Ergebnis dahinstehen, ob die Verwendung säurehaltiger Reiniger die Ursache für den aufgetretenen Mangel war oder nicht. Denn selbst wenn die Auffassung der Beklagten zutreffen sollte und die säurehaltigen Reiniger das Schadensbild verursacht haben sollten, so liegt die Ursache des Mangels jedenfalls nicht im Verantwortungsbereich des Klägers, da die Beklagte für diesen Fall ihre Hinweispflichten verletzt hat. Nach den getroffenen Feststellungen ist jedenfalls unstreitig, dass bereits im Jahre 2000 in der einschlägigen Fachpresse über mögliche Wechselwirkungen bei der Verwendung säurehaltiger Reiniger ausreichend berichtet worden ist und somit die Verwendung solcher Reiniger bekannt war. Dies hätte insbesondere der Beklagten als Fachunternehmen bekannt sein müssen. Wer die Herstellung eines Werks als Unternehmer übernehme, bringe zum Ausdruck, die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu besitzen. Grundsätzlich könne der Auftraggeber von dem Vorhandensein dieser Kenntnisse ausgehen. Die Beklagte wäre damit verpflichtet gewesen, auf die möglichen Schäden der Fugen bei Verwendung säurehaltiger Reiniger ausdrücklich hinzuweisen, was jedoch unstreitig nicht erfolgt ist. Die Beklagte haftet damit für den eingetretenen Schaden.

Wollmann & Partner kommentiert diese Entscheidung, weil sie einmal mehr den Umfang und die Anforderungen an die Prüf- und Hinweispflicht des Auftragnehmers konkretisiert. Die Prüf- und Hinweispflicht im Sinne des § 4 Abs. 3 VOB/B beschränkt sich nicht nur auf den Ausführungszeitraum, sondern auch auf den Zeitraum nach der Ausführung der Werkleistung, so z. B. auf die Art und Weise der Verwendung des Werks, seine Wartung bzw. seine Pflege. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die Prüf- und Hinweispflicht nicht auf die dem Auftragnehmer bekannten und mitteilungsbedürftigen Umstände beschränkt, sondern vielmehr alle bekannten Umstände, die nach einem objektiven Maßstab zu bestimmen sind, von ihr erfasst werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 02.11.1995, Az.: X ZR 81/93). Aufgrund des erheblichen Haftungspotentials empfiehlt Wollmann & Partner, stets eine sorgfältige Prüfung fachtechnisch relevanter Umstände vorzunehmen und den Besteller entsprechend der Prüfungsergebnisse umfassend in dokumentierter Form über mögliche Schadensquellen bzw. Ursachen aufzuklären.

OLG Frankfurt, Urteil vom 01.08.2013, Az.: 15 U 163/12

RA Michael M. Zmuda

Wollmann & Partner Rechtsanwälte, Berlin

zmuda@wollmann.de