Baurecht: Kein Ersatz von Vorhaltekosten wegen verzögerter Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren nach § 642 BGB
Newsletter VeröffentlichungenDer Bundesgerichtshof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Bieter während eines Vergabeverfahrens mobile Stahlgleitwände vorgehalten hat. Die Arbeiten sollten laut Ausschreibung im Zeitraum September 2004 bis April 2006 ausgeführt werden und spätestens binnen zwölf Tagen nach Zuschlagserteilung beginnen. Der Bieter hatte, um die Ausführung während des laufenden Vergabeverfahrens fristgerecht beginnen zu können, die Stahlgleitwände bereits vorgehalten. Die am 2. September 2004 endende Binde- und Zuschlagsfrist wurde auf Bitten der Auftraggeberin und mit Zustimmung des Bieters mehrfach verlängert, zuletzt bis zum 31. März 2006. Am 30. März 2006 erhielt der Bieter den Zuschlag. Der Bieter begehrte nun mit einem Nachtrag die Mehrkosten für die Vorhaltung der Stahlgleitwände wegen der mehrfachen Verlängerung der Zuschlagsfrist. Das Landgericht wies seine Klage ab, das Berufungsgericht gab der Klage statt und gestand dem Bieter einen entsprechenden Anspruch zu. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil schließlich wieder auf.
Ein verschuldensunabhängiger Anspruch nach § 642 BGB auf Ersatz der Vorhaltekosten für den Zeitraum der verzögerten Zuschlagserteilung im Vergabeverfahren steht dem Bieter unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten zu. Der Bieter knüpft vorliegend die begehrte Rechtsfolge an eine Störung der vorvertraglichen Rechtsbeziehung. Eine direkte Anwendung von § 642 BGB scheidet aus. In dem Zeitraum, für den die Vorhaltekosten geltend gemacht werden, bestand zwischen den Parteien kein Werkvertrag. Der Auftraggeber hatte hier noch gar keine Pflicht, an der Herstellung des Werkes mitzuwirken. Auch für eine entsprechende Anwendung des § 642 BGB – eine Verlagerung in den vorvertraglichen Bereich – besteht kein Raum. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke sowie an einer vergleichbaren Interessenlage. Nach der Begründung des Bundesgerichtshofes hält sich ein Bieter während des Vergabeverfahrens leistungsbereit, in der Hoffnung den Zuschlag zu erhalten. Die Kosten, die hierbei entstehen, sind Kosten der Vertragsakquise und grundsätzlich vom Bieter selbst zu tragen. Der Bieter handelt vor Abschluss des Vertrages somit auf eigenes Risiko. Der Auftraggeber ist dem Bieter nicht zum Abschluss des Vertrages verpflichtet, sondern lediglich auf die vergaberechtskonforme Durchführung des Verfahrens. Der Bieter wird vor dem Risiko hoher Vertragsakquisekosten durch die Befristung seines Angebots geschützt. Eine Verlängerung der Bindefrist bedarf seiner Zustimmung. Stimmt der Bieter einer Verlängerung zu, erklärt er damit seine Zustimmung, dass der angebotene Preis bei unveränderter Leistung und unveränderten Leistungszeiten bis zum Ablauf der Bindefrist gilt. Der Bieter trägt dann auch das sich aus der Verlängerung ergebende Risiko.
Eine Gefahr für den Bieter, in Leistungsverzug zu kommen, bestand indes nicht. Aus der Verlängerung der Bindefrist war hier zwingend im Wege der Vertragsanpassung ein neuer Ausführungstermin zwischen den Parteien zu vereinbaren. Aus diesem Grund konnte der Bieter nicht davon ausgehen, dass es dem Interesse des Auftraggebers entspricht, weiterhin während der Verlängerung der Bindefrist die Stahlgleitwände vorzuhalten.
BGH, Urteil vom 26. April 2018, Az.: VII ZR 81/17
RechtsanwaltJochen Mittenzwey
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