Ausschluss des Angebots bei Abänderung zwingender Vorgaben der Vergabeunterlagen
Aufsätze VeröffentlichungenDas OLG Düsseldorf hat unlängst einen für Bieter und Auftraggeber gleichermaßen interessanten Beschluss zu den Voraussetzungen gefasst, unter denen Angebote wegen Abänderung zwingender Vorgaben der Vergabeunterlagen vom Vergabeverfahren auszuschließen sind (vgl. § 16 EG Abs. 1 Nr. 1 lit. b) VOB/A i.V.m. § 13 EG Abs. 1 Nr. 5 VOB/A). Der Auftraggeber eines Bauvorhabens hat in seinem Leistungsverzeichnis eine „Mindestanzahl von 11 Baukränen“ vorgegeben. Gleichzeitig hat er diese Vorgabe relativiert mit den Hinweisen, dass diese Festlegung „die Sicht des Verfassers“ wiedergibt und nicht unterschritten werden „solle“. Mit seinem Angebot unterschreitet ein Bieter die „Vorgabe“.
Das OLG Düsseldorf gibt dem gegen seinen Ausschluss gerichteten Nachprüfungsantrag zu Recht statt: Der Auftraggeber hat seine Vorgaben durch seine Formulierungen selbst aufgeweicht, sodass es sich im Ergebnis nicht mehr um eine Mindestvoraussetzung, sondern „um funktionale Leistungsmerkmale handelt, die den Bietern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Bewältigung der Bauaufgabe eröffnen“.
Problematisch und entscheidungserheblich ist regelmäßig, ob die Inhalte des Angebotes Vorgaben der Vergabeunterlagen überhaupt abändern, ob die konkreten Inhalte zwingend sind oder ob der Bieter einen von dem Auftraggeber – wenn auch unbewusst – eingeräumten Handlungsspielraum ausgenutzt hat. Diese Aspekte sind durch Auslegung zu klären.
Angebote müssen grundsätzlich den Vorgaben des Auftraggebers entsprechen. Der Auftraggeber bestellt und bezahlt die Leistung. Ihm kommt daher ein von den Nachprüfungsorganen nur eingeschränkt überprüfbares und dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagertes Leistungsbestimmungsrecht zu (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.03.2010 – Verg 46/09; Beschl. v. 01.08.2012 – Verg 10/12). Die Bieter können grundsätzlich keine eigenen, von den Vorgaben des Auftraggebers abweichenden Vorstellungen durchsetzen.
Der Auftraggeber ist hingegen zur eindeutigen und erschöpfenden Beschreibung der Leistung verpflichtet, § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Mit anderen Worten muss der Auftraggeber sein Leistungsbestimmungsrecht so ausüben, dass bei einem Bieter keine – vernünftigen – Zweifel daran aufkommen dürfen, „was der Auftraggeber haben will“. Daher gehen Unklarheiten in den Vergabeunterlagen und insbesondere im Leistungsverzeichnis zu Lasten des Auftraggebers (vgl. statt aller OLG München, Beschl. v. 12.11.2010 – Verg 21/10). Der Auftraggeber ist daher schon im eigenen Interesse bei der Umsetzung des sog. Amtsentwurfs gut beraten, seine Anforderungen so präzise wie möglich und widerspruchsfrei zu formulieren.
Der Bieter muss sein Angebot eindeutig und entsprechend den Vorgaben des Auftraggebers gestalten, will er nicht Gefahr laufen, aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen zu werden. Meint er eine Mehrdeutigkeit oder einen Widerspruch in den Vergabeunterlagen entdeckt zu haben, sollte er den Auftraggeber darauf aufmerksam machen und diesen Aspekt gegebenenfalls rügen, § 107 Abs. 3 GWB. Hält der Auftraggeber an seinen Vorgaben nach wie vor fest, ist der Bieter – bis zur Grenze der technischen Baubarkeit – verpflichtet, entsprechend der Vorgaben des Auftraggebers anzubieten (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 17.05.2011 – WVerg 3/11, m. Anm. Stoye, IBR 2011, 710). Für den weiteren Verbleib des Angebotes im Vergabeverfahren höchst gefährlich ist jedenfalls ein Angebot, das „sehenden Auges“ von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht. Ob Vorgaben „zwingend“ sind, entscheidet im Zweifel das Nachprüfungsorgan durch Auslegung. Verlassen sollte sich der Bieter auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten jedenfalls nicht.
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.12.2012 – Verg 37/12
RA Christoph Kaiser