Vorsicht bei Bedenkenanzeigen
Aktuelles(Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 08.10.2020 – 6 U 1945/19)
Das Oberlandesgericht hatte über die Haftung der planenden und bauüberwachenden Architekten zu befinden, die – anders als das ausführende Unternehmen, von dem eine Bedenkenanzeige kam – an der geplanten Ausführung festhielten. Dem lag folgender – vereinfacht wiedergegebener – Sachverhalt zu Grunde:
Der Bauherr beauftragte die Architekten mit der Planung und Überwachung eines Fashion-Outlet-Centers nebst der Außenanlagen. Während der Ausführung der Außenarbeiten stellte das ausführende Landschaftsbauunternehmen fest, dass die Beton-Pflanzquartiere für die Stieleichen kleiner als ausgeschrieben ausgeführt werden sollten und meldete Bedenken bei den Architekten an, dass aufgrund der fehlenden Größe in den Pflanzquartieren die Stieleichen sich nicht entwickeln könnten. Die Architekten wiesen die Ausführung entgegen der Bedenkenanzeige trotzdem an. Es kam wie es kommen musste: Die Stieleichen entwickelten sich schlecht, wurden krank und schließlich von einem Schädling befallen.
Der Bauherr nahm im Ergebnis das ausführende Landschaftsbauunternehmen sowie auch die Architekten gerichtlich in Anspruch. Gegen die Architekten hatte die Klage in allen Instanzen Erfolg.
Die Architekten hatten gemäß dieser Entscheidung ihre Bauüberwachungspflichten schuldhaft verletzt. Im Rahmen der gebotenen Stichproben hätten die Architekten erkennen müssen, dass die Beton-Pflanzquartiere kleiner als ausgeschrieben dimensioniert waren. Auf die Bedenkenanzeigen des ausführenden Unternehmens konnten sich die Architekten indes nicht berufen. Sie hätten sich hier den Bedenken gegenüber dem Bauherrn anschließen müssen. Stattdessen haben sie die Bedenken ausgeräumt und angewiesen, trotz der zu kleinen Dimensionierung, die Stieleichen einzupflanzen. Auch nach der Eröffnung gab es insoweit keine Korrektur. Die Architekten hafteten daher auf Schadensersatz.
Im Ergebnis ist Architekten also zu raten, egal wie hoch der Zeitdruck mit der Fertigstellung ist, Bedenkenanzeigen von den ausführenden Unternehmen in jedem Fall ernst zu nehmen und ggf. mit einer eigenen Bedenkenanzeige zur Entscheidung an den Bauherrn zu senden. Wird einfach gar nicht auf die Bedenken reagiert, besteht ein erhebliches Haftungsrisiko. Wird darüber hinaus – wie hier – sogar die Ausführungsart angewiesen, gegen die Bedenken bestanden, ist mit einer Haftung zu rechnen.
Autoren: Axel Wunschel, Rechtsanwalt bei Wollmann & Partner und Licencié en droit, zertifizierter Mediator und Lehrbeauftragter der TU Darmstadt.