Privates Baurecht: Fehlerhafte Rückschlüsse aus einer erkennbar lückenhaften Leistungsbeschreibung führen zur Übernahme des Ausführungsrisikos durch den Auftragnehmer!

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Das OLG Düsseldorf hatte sich in seinem Urteil vom 24.03.2015 mit der Frage zu befassen, ob der Auftragnehmer das Ausführungsrisiko übernimmt, wenn er aus einer erkennbar lückenhaften Leistungsbeschreibung hinsichtlich der Bohrbarkeit des Bodens falsche Rückschlüsse zieht.

Die Klägerin, ein Generalunternehmer, verpflichtete sich auf Grundlage einer öffentlichen Ausschreibung zur Errichtung einer Bohrpfahlwand im Rahmen einer Kläranlagenerweiterung. Die Ausschreibung enthielt lediglich eine Baugrunduntersuchung für Erdarbeiten gemäß DIN 18300. Ein Baugrundgutachten für Bohrarbeiten gemäß DIN 18301 enthielt die Ausschreibung dagegen nicht. Die Klägerin ging aufgrund der Ausschreibung davon aus, dass der Boden keine besonderen Eigenschaften aufweise, sondern „einfach“ bohrbar sei. Während der Ausführung der Bohrarbeiten stellte sich heraus, dass der Boden unter anderem aus Felsgestein bestand, was einen erheblich höheren Arbeitsaufwand erforderte, als von der Klägerin kalkuliert. Die Klägerin machte deshalb Nachtragsforderungen geltend und stellte die Arbeiten ein, als die Beklagte die Zahlung verweigerte. Die Beklagte erklärte hingegen nach mehreren erfolglosen Nachfristsetzungen die außerordentliche fristlose Kündigung. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihre Vergütungsansprüche unter anderem auch wegen nicht erbrachter Leistungen weiter.

Das erstinstanzliche Gericht hat einen Vergütungsanspruch der Klägerin verneint. Die Klägerin hätte erkennen und den Beklagten darauf hinweisen müssen, dass die Erkenntnisse des Bodengutachtens für die Bohrbarkeit des unter den meterdicken Aufschüttungen liegenden Felsens keine sichere Grundlage liefern könne. Da das Gutachten auf die entsprechende DIN 18301 nicht Bezug nahm, habe es sich offensichtlich nicht zur Bohrbarkeit des Felsens verhalten. Hätte sich die Klägerin, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, über allgemein zugängliche Quellen weiter informiert, so hätte sie ohne weiteres erkennen können, dass mit sehr festem Gestein zu rechnen war.

Das OLG Düsseldorf hat die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt. Die Klägerin habe das Ausführungsrisiko für die Bohrarbeiten übernommen, da die Unvollständigkeit des Baugrundgutachtens, insbesondere das Fehlen eines Gutachtens zu Bohrarbeiten gemäß DIN 18301 geradezu ins Auge sprang und für die Klägerin deshalb erkennbar war. Erkennbar fehlende Informationen könnten nach Auffassung des OLG Düsseldorf nicht dahingehend ausgelegt werden, dass mit bestimmten Erschwernissen nicht zu rechnen sei. Dem Auftragnehmer obliege bei lückenhaften oder unzureichenden Informationen die Pflicht, diesen nachzugehen. Soweit der Auftragnehmer dies unterlasse und eigene Rückschlüsse ziehe, so übernehme er damit das Ausführungsrisiko. Nachtragsansprüche infolge erhöhten Aufwands seien unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Wollmann und Partner kommentiert diese Entscheidung, weil sie einmal mehr zeigt, welche herausragende Bedeutung der Prüfung der Ausschreibungsunterlagen zukommt. Der Bieter hat die Pflicht, auf erkennbare Lücken oder Widersprüche hinzuweisen und diese aufzuklären. Kalkuliert der Bieter auf Grundlage unzureichender Informationen, weil er nicht konkret benannte Umstände als gegeben unterstellt, so verletzt er seine Prüf-und Hinweispflicht, was dazu führt, dass er das Risiko für die aus den fehlenden Informationen resultierenden Folgen trägt (vgl. auch weitergehend Zmuda/Bschorr BauR 2014, 10). Wollmann und Partner empfiehlt deshalb, die Ausschreibungsunterlagen sorgfältig zu prüfen und durch gezielte Bieterfragen die Übernahme des Ausschreibungsrisikos auszuschließen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az.:21 U 36/14
RA Michael M. Zmuda
Wollmann & Partner Rechtsanwälte, Berlin
zmuda@wollmann.de